Ich kam 1975 nach Deutschland, um meinen Bruder, der schon fünf Jahre hier lebte, zu besuchen. Zu diesem Zeitpunkt war ich zehn Jahre alt. Durch den plötzlichen Kriegsausbruch im Libanon konnte ich nicht mehr zurück.
So sehr sich meine Mutter freute, dass ich in Deutschland in Sicherheit war, so unglücklich war ich und hatte großes Heimweh nach ihr und meinen Geschwistern. 1978 wurde mein Bruder eingebürgert und da ich minderjährig war, erhielt auch ich die deutsche Staatsbürgerschaft. Im Hause meines Bruders wurde nur Deutsch gesprochen und in der Sprachschule, auf der er mich anmeldete, lernte ich in drei Monaten Deutsch. Während mich die Mitschüler in ihrer Gemeinschaft wohlwollend aufnahmen (auch bedingt durch meine sehr guten sportlichen Leistungen in der Leichtathletik), wurde ich von einem Teil der Lehrer abgelehnt. „Früher war das Gymnasium den Privilegierten vorbehalten, dann kamen die Arbeiterkinder und jetzt kommt auch noch ihr“ war ein Satz, den ich mir anhören musste. Nach dem Abitur jobbte ich in einer Pizzeria und eröffnete später eine eigene. Aus gesundheitlichen Gründen musste ich diese 2001 wieder schließen. Zwischenzeitlich heiratete ich und wurde Vater von drei Kindern. Nach der Öffnung der Mauer und der Übernahme ostdeutscher Lehrer, waren meine Kinder mit ähnlichen Vorurteilen, wie ich seinerzeit, konfrontiert. Diese für mich unerträgliche Situation veranlasste mich, als Elternvertreter tätig zu werden. Um die Situation zu ändern, bildete ich mich berufsbegleitend zum interkulturellen Mediator fort und arbeitete als Schulsozialarbeiter an einer Grundschule. Das Projekt wurde später mit dem Integrationspreis ausgezeichnet. Meine älteste Tochter hat ihren Bachelor in Marketing abgeschlossen, mein Sohn studiert Computer-Ingenieurwesen und meine jüngste Tochter hat ihr Abitur gemacht. Auch ich habe nochmal eine Ausbildung zur Fachkraft für Garten- und Landschaftsbau absolviert und bin heute in der glücklichen Lage, beide Berufe, den handwerklichen und sozialen, miteinander verbinden zu können. Jetzt arbeite ich als Bildungsstättenleiter. In meiner Freizeit engagiere ich mich als Imker für die Umwelt und für Verbote von Pestiziden. Auch gebe ich pro Jahr einen Imker-Kurs.
Mein erster bleibender Eindruck in Deutschland war der flauschige dicke Teppichboden in der Wohnung meines Bruders. Für mich ziehe ich in Betracht, meinen Lebensabend in meiner Heimat Libanon zu verbringen. Ich vermisse das Dorfleben meiner Kindheit dort. Meine beiden ältesten Kinder fühlen sich in Deutschland wohler, während meine jüngste Tochter sich mehr der arabischen Kultur zugeneigt fühlt. Typisch deutsch sind für mich die Rechthaberei und eine gewisse Zuverlässigkeit. Ebenfalls typisch deutsch sind die vielen Abkürzungen für bestimmte Worte.