Mein Name ist Susana, ich bin 53 Jahre alt, freierziehende Mutter und komme aus Lima, Peru.
Dort habe ich die ersten 24 Jahre meines Lebens verbracht. Danach war ich etwa 12 Jahre unterwegs. In dieser Zeit habe ich zwölf Jahre auf Kreuzfahrtschiffen gearbeitet und ein Jahr an einer Tourismusschule in Salzburg verbracht. Ich war auch in Kanada, weil ich vielleicht dorthin auswandern wollte. Wegen der kalten Temperaturen habe ich diesen Plan jedoch aufgegeben.
2007 bin ich mit 36 Jahren wegen der Liebe nach Deutschland gekommen. Damals hatte ich meinen Mann über das Internet kennengelernt. Ursprünglich wollten wir nur zwei Jahre in Deutschland bleiben und dann nach Peru ziehen. Aber nach der Trennung, meiner Tochter zuliebe bin ich geblieben. In Deutschland lebe ich jetzt seit 17 Jahren. Zuerst haben wir in Neckargemünd, in der Nähe von Heidelberg gewohnt, später in einem kleinen Dorf namens Gielow in der Mecklenburgischen Schweiz.
Ich interessiere mich sehr für Fremdsprachen und andere Kulturen. Deshalb habe ich mich entschieden, nach Berlin zu ziehen. Als Touristin hat mir Berlin sehr gut gefallen, vor allem die Sehenswürdigkeiten, kulturellen Aktivitäten, Festivals und die vielen anderen Möglichkeiten. Die Stadt wirkte so international und hat mich wie ein Magnet angezogen. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich hier beruflich und persönlich weiterentwickeln konnte.
In Gielow kam es zur Trennung von meinem Lebenspartner und Vater meiner Tochter. Dort gab es nur wenige Möglichkeiten für mich. Ich habe mich in Hotels beworben und wollte auch Spanisch unterrichten, aber das hat nicht geklappt. Meine Tochter war in einem Kindergarten, der von 6 Uhr morgens bis 18 Uhr geöffnet war. Die Jobs, die in Frage kamen, waren mindestens 20 Kilometer entfernt, und ich brauchte ein Auto.
Ich ging zum Jobcenter, wo mich die Beraterin fragte, warum ich einen Job suche. Ich erklärte, dass es eine emotional schwierige Zeit war. Sie meinte, ich sollte mir Zeit nehmen, alles zu verarbeiten. Ich wollte aber nicht im Dorf bleiben und etwas für meinen Kopf tun. Überraschenderweise hat sie mir dann geholfen und mir die Fahrttickets nach Berlin und eine Übernachtung bezahlt, damit ich mich dort bewerben konnte. Damit hatte ich gar nicht gerechnet.
So kam ich nach Berlin. Gleichzeitig hatte ich Vorstellungsgespräche, suchte nach einer Wohnung und einem Kitaplatz für meine Tochter. Ich kannte vier Personen, die in Berlin lebten. Sie haben mir bei der Betreuung meiner Tochter geholfen, mir Übernachtungsmöglichkeiten angeboten und mich zu Terminen begleitet. Dank ihnen hatte ich auch etwas Zeit, die Stadt kennenzulernen, die viel größer war, als ich dachte. Ich erinnere mich, dass ich mit zwei Freunden unterwegs war und wir feststellten, dass jeder Bezirk etwas Schönes und etwas weniger Schönes hat.
Eine große Herausforderung für mich in Deutschland war die Pünktlichkeit der Verkehrsmittel. In Lima halten Busse, wo sie wollen oder wo man steht. Obwohl das Verkehrssystem in Lima inzwischen sich verbessert hat, hat es noch viele Herausförderungen. Außerhalb von Heidelberg kam der Bus nur einmal in der Stunde. Das war für mich stressig, und ich musste lernen, meine Zeit besser zu organisieren.
Nach meiner Ankunft in Heidelberg arbeitete ich in Vollzeit als Rezeptionistin in der Internationalen Jugendherberge. Ich musste erst lernen, wie das System dort funktioniert. Am Anfang habe ich mich wegen meiner Sprachkenntnisse nicht getraut, mit meinem Chef über Probleme zu sprechen. Durch tägliches Sprechen wurde es besser. Ich hatte den Eindruck, dass meine Kolleg*innen sich generell nicht trauten, Probleme anzusprechen. Ich habe meine Meinung gesagt, was vielleicht am Anfang zu viel war. Schließlich habe ich gekündigt, weil wir umgezogen sind und die Situation für mich unerträglich wurde. Obwohl mir die Arbeit wegen des internationalen Umfelds Spaß gemacht hat, kam ich mit meinem Chef und der administrativen Kommunikation nicht gut zurecht.
Meine ersten Begegnungen in Deutschland waren gut. Zuerst habe ich die deutschen Freunde meines Ex-Mannes kennengelernt. Sie haben mich freundlich empfangen. Dass ich aus Peru komme, fanden sie spannend, sie waren neugierig und interessiert. Wo wir gewohnt haben, gab es nicht viele Menschen mit Migrationshintergrund. Deshalb war ich oft im Mittelpunkt. Andere Latinos habe ich erst später kennengelernt.
Es fiel mir nicht so schwer, Deutsch zu lernen. Jede Sprache ist schwierig, wenn man sie gut sprechen will. Ich konnte schon viel früher etwas Deutsch sprechen, da ich am Goethe-Institut in Lima bis Niveau B2 gelernt hatte, mit dem Ziel, mit deutschen Touristen zu arbeiten. Sprechen konnte ich schon gut, aber ich kannte die Umgangssprache nicht. In Deutschland habe ich am Anfang viel ferngesehen, das hat mir sehr geholfen. Ich bin auch in Bibliotheken gegangen, habe Veranstaltungen und Vorträge besucht und einfach zugehört, egal ob sie lustig oder langweilig waren. Ich war oft an der Volkshochschule, weil es dort günstig war und viele interessante Veranstaltungen gab. Dort habe ich später Erwachsene und zweisprachigen Kindern Spanisch unterrichtet und dadurch mehr Leute kennengelernt.
Als Kind wollte ich in den 70er-Jahren Flugbegleiterin werden, weil mich Reisen fasziniert hat. Ich merkte aber, dass ich dafür zu klein war, da Größe damals eine Voraussetzung war. Das führte mich in die Tourismusbranche. Als ich etwa 10 Jahre alt war, sagte der Englischlehrer meiner Mutter, dass ich eine gute Aussprache hatte. Ich erinnere mich, dass er bemerkte, dass ich ein gutes Ohr für Sprachen habe. In der Schule hatte ich einmal pro Woche Englischunterricht. Wir waren 40 Schülerinnen in der Klasse. Mit 13 Jahren besuchte ich eine private Englisch Schule, wo ich täglich zwei Stunden Englisch hatte. Es waren schwierige Zeiten in Peru in den 80er-Jahren mit Terroristen-Gruppen, die überall Bomben explodieren ließen. Am Ende des ersten Jahres erhielt ich ein Stipendium für das zweite Jahr, unter der Bedingung, den Kurs zu bestehen. Das habe ich geschafft. Danach lernte ich Französisch, dann etwas Russisch und Japanisch. Mein Traum war es, Touristen in diesen Sprachen zu führen.
Später arbeitete ich für eine Reederei auf einem Kreuzfahrtschiff. In Brasilien lernte ich Portugiesisch. Danach lernte ich Italienisch, Deutsch und ein wenig Chinesisch und Koreanisch. Heute spreche ich sechs Sprachen gut. Ich würde gerne noch mehr Sprachen lernen und war sogar auf einem Treffen von Polyglotten, wo Leute waren, die 20 Sprachen beherrschen.
Derzeit arbeite ich bei einer Agentur im Tourismusbereich. Wir vermitteln touristische Leistungen und betreuen Einzelreisende und Gruppen aus Spanien, Portugal, Brasilien und Latein Amerika, die nach Deutschland kommen.
Natürlich vermisse ich meine Familie. Meine Eltern und meine vier Geschwister leben alle in Lima. Ich habe viele Erinnerungen, besonders an meine Großmutter. Ihre Umarmungen waren so liebevoll, dass ich sie noch immer spüren kann. Sie hieß auch Susana, nach ihr bin ich benannt. In Peru gibt es ein Heilungsritual, das sie durchführte. Menschen mit Angst, Kinder, die nicht schlafen konnten, oder Personen mit Schockzuständen kamen zu ihr. Sie verwendete ein frisches Ei, dessen Form sie nach dem Aufschlagen interpretierte. Dabei war sie sehr liebevoll und auch lustig.
Mein Zuhause ist immer noch in Peru. Obwohl ich seit 17 Jahren in Deutschland wohne und mich hier wohl und glücklich fühle, sagt mir mein Herz, dass mein Heimatland mein Zuhause ist. Im Sommer haben wir die Familie in Lima besucht. Als ich wieder in Berlin war, hatte ich ca. ein Monat Heimweh. Mein Körper war in Berlin, aber mein Kopf und Seele waren noch in Lima.
Hier in Deutschland, besonders in Berlin, fühle ich mich dennoch sicher. In Lima als Frau kann man nicht nachts oder um zwei Uhr morgens allein zu Fuß nach Hause gehen, ist sehr riskant. Hier wäre das kein Problem. Und obwohl es könnte ja was passieren, sind die Chancen weniger. Seit neun Jahren wohne ich in Berlin, und es ist noch nichts Schlimmes passiert. Meine Nachbarschaft liegt etwas außerhalb, und ich habe dieses gute Gefühl immer noch.
In meiner Nachbarschaft bin ich aktiver als meine 15-jährige Tochter, die mit der Schule und ihren Freundinnen beschäftigt ist. Ich bin neugierig und interessiere mich für Kultur, andere Länder, Natur und Tourismus. Ich habe das Gefühl, dass mir etwas fehlt. Deshalb bin ich aktiv und suche immer weiter. Am Anfang habe ich in Berlin 40 Stunden pro Woche gearbeitet und war am Wochenende viel mit meiner Tochter unterwegs, weil ich nicht zu Hause sein wollte. Seit einiger Zeit, schon vor Corona, habe ich erkannt, dass ich Antworten auf wichtige Fragen nicht nur in mir selbst, sondern auch in meinem Zuhause finden kann. Jetzt kontrolliere ich meinen Kalender mehr und nehme mir Zeit für Aktivitäten, die mir wirklich Spaß machen.