Mein Name ist Ibrahim Coskun, geboren wurde ich 1955 in Dersim, das heutige Tunceli, in der Türkei.
Ich bin bildender Künstler mit dem Schwerpunkt Malerei. Meine künstlerische Entwicklung wurde maßgeblich durch meine Großmutter geprägt.
Die Angehörigen meiner Großmutter fielen der „ethnischen Säuberung“ 1937 - 1938 zum Opfer. Darüber zu sprechen war ein Tabu.
Die Gegend um Dersim gehörte zum Heimatland der Armenier. Obwohl viele Bewohner Dersims sich als Kurden bezeichnen würden, haben sie doch ihre eigene Identität, Kultur, Religion und Sprache. Sie nennen sich selbst Kirmatsch. Die Kirmatsch und die Armenier haben Seite an Seite in Frieden gelebt.
Während des Armenischen Völkermordes, für das die Armee der türkischen Republik von 1937 - 1938 verantwortlich war, wurden zehntausende Menschen abgeschlachtet und bestimmt noch einmal so viele nach West-Anatolien verschleppt. Der Rest der Armenischen Bevlökerung musste Hunger und Elend durchleiden.
In meiner Kindheit standen noch zwei armenische Kirchenruinen in unserem Dorf.
Meine Großmutter ging jede Woche dorthin, entzündete Kerzen und betete wie eine Christin. Trotz des sehr großen Respekts, den man ihr entgegenbrachte, blieb sie stets allein. Ich war die einzige Person, die ihr nahe stand und vertraut war. Sie schenkte mir all ihre Liebe und Zärtlichkeit.
Die Massaker an den Armeniern und Dersimern erzählte sie mir in einer Art Märchen, mit all den verbundenen Schmerzen und Sehnsüchten. Es ging um den Kampf zwischen bösen und klugen Menschen, in dem am Ende die Klugen siegen, trotz aller Brutalität der Bösen.
Sie hatte nur einen Wunsch an mich, ich solle niemals eine Waffe in die Hand nehmen und versuchen, Kunst zu studieren, um als guter Mensch Spuren auf dieser Welt zu hinterlassen.
Zum Zeitpunkt ihres Todes war ich 6 Jahre alt. Es war ein großer Schock für mich.
Mit 15 Jahren kam ich nach Hannover und lernte dort Maschinenschlosser. Nach meiner erfolgreichen Ausbildung arbeitete ich als Busfahrer.
Wegen meines Interesse an der Kunst suchte ich immer die Nähe von Künstlern. Durch deren Zuspruch und Unterstützung begann ich mit 19 Jahren zu malen.
Ich besuchte Volkshochschulkurse und gab auch sehr schnell selber Kurse. Ich absolvierte außerdem ein Fernstudium an der Pariser Kunstakademie in Hamburg.
Von meiner ersten Ausstellung im Jahr 1984 wurde bereits im bayrischen Fernsehen berichtet und diese auch gezeigt. Dann baute ich mir die Kontakte zur Berliner Kunstszene auf. Da ich großes Interesse daran hatte, auch die Kunstszene in der Türkei maßgeblich mit zu gestalten, pendelte ich zwischen Deutschland und der Türkei hin und her.
Mit meiner Ehefrau wohnte ich überwiegend in Mersin. Wir hatten dort ein Café und ein Atelier eröffnet.
Da ich Mitbegründer des türkischen Menschenrechtsvereins war, und durch eine kritische Äußerung meinerseits zu einer Dokumentation, geriet ich unter ständige Beobachtung des Staates. Ende 1984 wurde mir mein türkischer Pass abgenommen und ich konnte die Türkei nicht mehr verlassen. Das Café und Atelier wurde zwangsweise geschlossen und vernichtet.
Ich flüchtete nach Ankara und eröffnete dort eine Galerie. Über sehr enge Freunde erfuhr ich Ende 1989, dass mein Leben in der Türkei bedroht sei und ich beseitigt werden sollte. Durch meine guten Kontakte zu deutschen Künstlern und meinen guten Ruf in der Kunstszene wurde meine Flucht über das deutsche Konsulat geplant und auch durchgeführt.
In Deutschland wurde ich dann von Willy Brandt empfangen, anlässlich der Präsentation des türkischen Menschenrechtsvereins.
Heute lebe ich in Berlin und auch wieder in der Türkei, wo ich mich sehr für die Kunst einsetze und an den Eröffnungen von Kunstgalerien mitwirke. Eine eigene Galerie habe ich in Bodrum eröffnet.
Meine Hauptthemen, Wurzeln und Quellen meiner Malerei sind die zerstörten Landschaften, die entvölkerten und verbrannten Dörfer von Dersim.
Seit 1984 hatte ich diverse Einzel- und Gruppenausstellungen in Deutschland, der Türkei, Luxemburg und Belgien.
Jetzt arbeite ich als freischaffender Künstler in Berlin, Istanbul und Bodrum.